Klimaschutz - Teilkonzept "Klimafreundliche Mobilität"
Gemäß dem Umweltbundesamt sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland im Bereich Verkehr von 1990 bis 2014 nur um 2 % gesunken. Gleichzeitig hat der Verkehr mit 21 % einen erheblichen Anteil an den energiebedingten Treibhausgasemissionen in Deutschland. Daran wird deutlich, dass dem Verkehrssektor eine wesentliche Rolle für die zur Erreichung der nationalen Klimaziele notwendigen Emissionsreduktionen zukommt.
Mit dem Ziel, gemeinsam mit Akteuren vor Ort einen Klimaschutzfahrplan im Bereich Verkehr für die Stadt Böblingen für die nächsten 10-15 Jahre zu entwickeln, hat die Stadt Böblingen ein Klimaschutz-Teilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ entwickeln lassen. Auf dieser Grundlage soll der Verkehr als wichtiges Thema in den bereits laufenden Klimaschutzanstrengungen der Stadt Böblingen verankert werden.
Klimaschutzmaßnahmen im Bereich Verkehr tragen auch zur Verbesserung in anderen kommunalen Handlungsfeldern bei, z.B. Lärmschutz, Luftreinhaltung, Verkehrssicherheit, Grünflächenentwicklung. Aber auch Themen wie Gesundheitsförderung, Verbesserung der Aufenthalts- und Wohnqualität etc. können von Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr profitieren.
Bestandsaufnahme zum Verkehr in Böblingen
Ausgangssituation
- Böblinger Stadtgebiet durch kompakte Struktur und kurze Entfernungen gekennzeichnet - ausgehend vom Elbenplatz liegt Kernsiedlungsgebiet in einem 3 km-Luftlinienradius und Ortsteil Dagersheim ist weniger als 5 km entfernt
- Verkehrsinfrastruktur weist hohe Leistungsfähigkeit sowie intensive Nutzung durch Kfz-Verkehr auf - führt zu einer Vielzahl von Nutzungskonflikten mit zu Fuß gehenden und Radfahrenden
- Durchschnittlich pendeln täglich rund 25.000 Personen nach Böblingen hinein und rund 15.000 Personen hinaus
Fuß- und Radverkehr
- infrastrukturelle Defizite beim Fuß- und Radverkehrsangebot
- gesamtstädtisch große Potenziale zur Erhöhung des Anteils von zu Fuß gehenden und Radfahrenden
- Neustrukturierung der Radabstellmöglichkeiten wurde in jüngerer Vergangenheit bereits eingeleitet
- Mitgliedschaft der Stadt Böblingen in der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V. (AGFK)
- AG Radverkehr als positive städtische Aktivitäten im Sinne des Klimaschutzes
- hohe Aufenthaltsqualität in der Bahnhofstraße und der Uferstraße durch die Bevorrechtigung von Fuß- und Radverkehr
- große Potentiale bei der Aufenthaltsqualität im Bereich des Schlossbergrings
Bus und Bahn
- Ausgangslage im öffentlichen Personennahverkehr gut
- gemeinsames Stadtbusangebot der Städte Böblingen und Sindelfingen mit moderner, durchgehend barrierefreier Fahrzeugflotte
- Böblingen hat ein gut ausgebautes Haltestellennetz
- Optimierungspotenziale hinsichtlich Nachvollziehbarkeit und Verständlichkeit von Linienführung sowie Fahrtangeboten
- Entwicklungspotentiale für Haltestellen hinsichtlich Barrierefreiheit sowie Haltestellenausstattung
- gute Schienenverkehrsanbindung durch das regionale S-Bahn-Netz mit mehreren Haltepunkten im Stadtgebiet sowie weitere Regional- und auch Fernverkehrsanbindungen
Carsharing
- sowohl stationsgebundenes als auch ein Free-Floating-Carsharing-Angebot (mit Elektrofahrzeugen)
- Free-Floating-Carsharing weist eine gute dezentrale Grundversorgung auf
- Entwicklungspotenziale beim stationsgebundenen Angebot hinsichtlich Erkennbarkeit, Stationsdichte und Präsenz im Stadtbild
Energie- und Treibhausgasbilanz
Die Energie- und Treibhausgasbilanz des Verkehrs in der Stadt Böblingen wurde für das Basisjahr 2014 erstellt. Der motorisierte Verkehr in Böblingen benötigte im Jahr 2014 Endenergie in Höhe von 310 GWh und verursachte Treibhausgasemissionen in Höhe von 97 Kilotonnen CO2-Äquivalente.
Den größten Anteil an Energieverbrauch und Emissionen hatte mit etwa 3/4 der motorisierte Individualverkehr, gefolgt vom Straßengüterverkehr (Lkw und leichte Nutzfahrzeuge) mit rund 20 %. Auf den öffentlichen Verkehr (Nah- und Fernverkehr) entfielen lediglich 4 % des Endenergieverbrauchs und 6 % der Treibhausgasemissionen.
Maßnahmenempfehlungen der Gutachter für Böblingen
Auf Basis der Bestandsanalyse zu Stärken, Schwächen und Entwicklungspotenzialen des Verkehrs in Böblingen leiteten die Gutachter vier verschiedene Handlungsfelder für eine klimafreundliche Mobilität ab und entwickelten konkrete Maßnahmenansätze.
Zur Reduktion der THG-Emissionen, empfehlen die Gutachter für die Stadt Böblingen folgende Maßnahmen:
Klimafreundliche Stadtentwicklung (S)
- S1: Modellvorhaben: städtebaul. integrierte Gestaltung von Hauptverkehrsstraßen
- S2: Kontinuierliche Überarbeitung von Querungsmöglichkeiten und Straßenraumaufteilungen
- S3: Entwicklung eines gesamtstädtischen Parkraumkonzepts
- S4: Implementierung von Klimaschutzaspekten im Masterplan Schlossbergring
Förderung des Umweltverbunds (U)
- U1: Umsetzungsorientiertes Radverkehrskonzept
- U2: Dauerhaftes, ausreichendes Haushaltsbudget für den Radverkehr
- U3: Stadtbus-Haltestellenprogramm
Verwaltung geht voran (V)
- V1: Verbindliches Prozessmanagement in Stadt- und Verkehrsplanung
- V2: Regelmäßige Mobilitäts- und Verkehrserhebungen
- V3: Verbindliche Verkehrsauswirkungsprüfung für städtische Entscheidungen
- V4: Mobilitäts- und Fuhrparkmanagement in der Stadtverwaltung
Beratung und Beteiligung (B)
- B1: Öffentlichkeitsarbeit für nachhaltige und gesunde Mobilität
- B2: Betriebliches Mobilitäts- und Fuhrparkmanagement fördern
Neben den 13 Hauptmaßnahmen wurden mit Akteuren vor Ort noch weitere Handlungsbedarfe zur Schaffung einer klimafreundlichen Mobilität in Böblingen diskutiert. Diese zusätzlichen Maßnahmenansätze wurden im Rahmen des Konzepts nicht vertieft, sie können aber bei einer Ausweitung der Böblinger Klimaschutzaktivitäten im Verkehr zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls wichtige Bausteine für Klimaschutz im Verkehr werden.
Potenziale und Szenarien
Die im Klimaschutz-Teilkonzept empfohlenen Maßnahmen zielen hauptsächlich auf die Verlagerung von Pkw-Fahrten auf Radverkehr und ÖPNV. Relevante Emissionsminderungen infolge lokaler Maßnahmen sind hauptsächlich über die Vermeidung von MIV-Fahrten, z.B. durch die Erhöhung der Fahrzeugbesetzung im Berufsverkehr, zu erreichen sowie durch Verlagerung von MIV-Binnenfahrten auf Rad- und Fußverkehr und von Quell-Ziel-Fahrten auf den ÖPNV.
Aufbauend auf der aktuellen Treibhausgas- (THG-) Bilanz für das Jahr 2014 wurden zwei Zukunftsszenarien für den Verkehr in Böblingen erstellt.
- Das TREND-Szenario zeigt die mögliche Entwicklung der THG-Emissionen, wenn bereits geplante, festgelegte oder aus heutiger Sicht zu erwartende Entwicklungen und Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr eintreten.
- Im KLIMA-Szenario werden zukünftige Verkehrsentwicklungen und damit verbundene THG-Emissionen unter der Annahme abgeschätzt, dass zusätzliche, ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt und damit verbundene THG-Minderungspotenziale realisiert werden.
Entwicklung des Endenergieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen des Verkehrs im TREND- und KLIMA-Szenario
Gemäß den Szenarien nehmen die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr bis 2030 etwas stärker ab als der Endenergieverbrauch. Im TREND-Szenario gehen die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr von 2014 bis 2030 insgesamt um 9 % zurück. Im KLIMA-Szenario wird eine Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 25 % erreicht.
Entwickelt man die Szenarien bis 2050 weiter, so wird eine Verringerung des Endenergieverbrauchs um 35 % im TREND-Szenario bzw. 55 % im KLIMA-Szenario gegenüber dem Basisjahr 2014 erreicht. Die THG-Emissionen werden um 48 % bis 65 % gemindert. Diese Minderungen gehen auf Maßnahmen im Verkehrssektor (Vermeidung, Verlagerung, Effizienz und Elektrifizierung bei Pkw und Lkw) sowie auf die Trendentwicklungen bei erneuerbaren Energieträgern zurück.
Download
Klimaschutz-Teilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ (Stand: April 2017) (5,632 MiB)
Zusammenfassung (Stand: Januar 2017) (861,1 KiB)
Förderung
Das Klimaschutz-Teilkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ der Stadt Böblingen wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative zu 50 % gefördert.
Erstellungzeitraum war der 01. November 2015 bis 31. Januar 2017.
Mit der Erstellung wurde das ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg in Kooperation mit dem Planungsbüro SVU Dresden beauftragt.
Zur Begleitung der Umsetzung des Klimaschutz-Teilkonzepts "Klimafreundliche Mobilität" wurde eine Personalstelle vom Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) zu 65% vom 01.Juni 2019 - 31.Mai 2021 gefördert. Im Rahmen eines Anschlussvorhabens wird die Personalstelle nun vom 01.Juni 2021-31.Mai 2022 zu 50% gefördert.