Maße im alten Böblingen

In dieser Ausgabe des Einblicks beschäftigt sich Stadtarchivar Dr. Florian mit Maßeinheiten, die früher in Böblingen verwendet wurden.

In der heutigen Zeit haben sich die metrischen Maße und Gewichte auf fast der ganzen Welt durchgesetzt. Alte Maße wie z. B. die Elle als Längenmaß sind verschwunden. Andere alte Maßangaben werden zwar noch verwendet, doch sie beruhen jetzt auf metrische Größen wie z. B. das Maß, das jetzt genau einen Liter bezeichnet.

Kein einheitliches Maß

Das Besondere an den Maßen und Gewichten in Deutschland lag darin, dass sie nicht nur innerhalb Deutschlands unterschiedlich waren, sondern sich auch innerhalb der einzelnen Länder bzw. Herrschaftsbereiche unterschieden. So war es auch in Württemberg bis 1557. Die einzelnen Ämter (Verwaltungseinheiten) des Herzogtums (bis 1495 Grafschaft) hatten entweder eigene Maße oder orientierten sich an anderen Ämter. Im Folgenden soll sich die Darstellung auf die sogenannten Hohlmaße (Volumenmaße) sowie Flüssigkeitsmaße beschränken.

Jedes Produkt hatte ein eigenes Maß

Simrimaß

Neben der großen Anzahl an unterschiedlichen Gewichten wird das Verständnis der alten Maße noch dadurch zusätzlich erschwert, dass es für unterschiedliche Produkte jeweils eigene Maße gab. So wurden unterschiedliche Getreidesorten mit unterschiedlichen Maßen gemessen. Auch im Herzogtum Württemberg und dem dazugehörigen Böblingen war dies so. Der Stuttgarter Ratsherr Sebastian Küng schrieb anlässlich der Maßreform (1557) über die Mannigfaltigkeit der altwürttembergischen Maßsysteme: „[...] es sei schier keine Stadt oder Dorf, das sich mit dem andern in Meß und Eich durchaus vergleiche.“

Getreidemaß orientiertesich an Calw

Böblingen hatte keine eigenen Maße. Bei den Getreidemaßen hatte es sich an das Calwer Amt orientiert. Die größte Einheit des Getreidemaßes war dabei der Malter. Beim Roggen (glatte Frucht) betrug der Malter 131,74 Liter, bei Dinkel und Hafer (rauhe Frucht) hingegen 142,05 Liter. Da es auch kleinere Maßeinheiten geben musste, war der Malter wiederum in 8 Viertel bzw. in 32 Vierling eingeteilt. Gemessen wurde das Volumen dann mit geeichten Behältnissen (Schöpfmaße).
In den alten Lagerbüchern (herrschaftliche Rechts- bzw. Besitzverzeichnisse) finden sich dann diese Angaben wieder. So musste der Böblinger Bauer Hanns Häßlich 1523 für etwa vier Hektar Ackerfläche jeweils vier Viertel Kernen (Dinkel) und Haber (Hafer) an die Herrschaft abliefern. Das waren nach altem Calwer Maß gerechnet jeweils 71 bzw. insgesamt 142 Kilogramm Korn, also nach damaligem Maß ein Malter.

Flüssigkeitsmaß war wie in Stuttgart

Mit den Flüssigkeitsmaßen war es nicht einfacher. Bei diesen orientierte sich das alte Böblingen am Amt Stuttgart. Die größte Einheit war dort das Fuder. Das Fuder wiederum bestand aus 6 Eimer, der Eimer aus 16 Imi, der Imi aus 10 Maß und das Maß aus 4 Viertelmaß.Und auch bei den Flüssigkeiten gab es Differenzierungen, denn für den trüben, unvergorenen Wein galt die Trübeich als Maß, für den hellen, vergorenen Wein die Hell- oder Lautereich und schließlich für die Berechnung von Abgaben wurde die Schenkmaß herangezogen. Die Maße entsprachen den Anforderungen des damals in Württemberg dominierenden Weinanbaus und –konsums. Ein Fuder Trübeich machte 1840,72 Liter, ein Fuder Hell- oder Lautereich 1763,56 Liter und ein Fuder neue Schenkeich 1603,24 Liter aus. Wer also vor 1557 in Böblingen eine Maß (vergorenen) Weins stemmte, konsumierte also fast zwei Liter (1,84) des geistigen Getränks.

Versuch einer Gewichtsreform scheiterte

Das so unproblematisch erscheinende Eichwesen war im frühneuzeitlichen Württemberg politisch gesehen ein heißes Eisen. Denn der Versuch Herzog Ulrichs (reg. 1498-1550) 1514 neue Gewichte einzuführen, soll ein Auslöser des Aufstands des Armen Konrads gewesen sein, der eine schwere politische Krise heraufbeschworen hatte. Die Gewichte sollen nämlich reduziert worden sein, so dass z. B. für weniger Fleisch der gleiche Preis gezahlt werden musste.
Die Gründe für ein fehlendes eigenes Böblinger Maß dürfte in dessen geringer Bedeutung als Handelsplatz gelegen haben. Weil jedoch die Böblinger Maße in Calw und Stuttgart geeicht und bestätigt werden mussten, gab es eine wirtschaftliche Unterordnung unter diese Städte. Dies führte dann zu Problemen, denn um 1535 kam es wegen der Getreidemaße zu einem Streit zwischen Calw und Böblingen. Herzog Ulrichs entschied dann, „daß die Von Böblingen beede Haupt- und Lagermeß [...] wie Vor alters zue Callw, rechtferttigen und Pfechten laßen [...]“ mussten. Die Maße für Roggen bzw. Dinkel und Hafer mussten also weiterhin in Calw geeicht (gepfechtet) werden.

Betrügen war teuer

Der Gebrauch von falschen Gewichten konnte im 16. Jahrhundert übrigens recht teuer werden, der ertappte Missetäter wurde nämlich dazu verurteilt, der Stadt Böblingen je Gewicht acht Schilling vier Heller zu zahlen. Dies waren 164 Heller (Silbergeld). Dazu kam noch in gravierenden Fällen („daß die stuckh alle oder jedes Besonder so grob und gefaehrlich erfunden“) die strafrechtliche Ahndung durch den Vogt (Vertreter des Herzogs) hinzu.

Württemberg bekam ein Einheitsmaß

Als unter Herzog Christoph, der von 1550 bis 1568 re-gierte, dann die Maße in Württemberg vereinheitlicht werden sollten, ging man vorsichtig und gründlich ans Werk. Nach mehrjähriger sorgfältiger Vorbereitung wurden 1557 dann die neuen Maße eingeführt. Die Ämter erhielten dabei neue Maße sowie Umrechnungstabellen zugesendet. Im Zug der Reform wurden auch die Getreidemaße vereinheitlicht (Neue Landmeß). Die größte Einheit war jetzt das Scheffel mit 177,23 Liter, es setzte sich wiederum zusammen aus 8 Simri, 1 Simri wiederum bestand aus 4 Vierlingen, der Vierling aus 2 Achtel, der Achtel dann aus 4 Ecklein und dieses schließlich aus 1 Viertelein. Bei den Flüssigkeitsmaßen hatten die Böblinger Glück, denn das von ihnen benutzte Stuttgarter Maßsystem wurde auf das ganze Herzogtum übertragen (Neue Landeich).
Die neuen Maße sollte über 300 Jahre dann Bestand haben, bis dann 1871 in Württemberg das uns vertraute metrische Maßsystem eingeführt wurde.

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