Böblingen 1945–1948 – Bürgermeister einer Übergangszeit
Wolfgang Brumme war Oberbürgermeister in Böblingen von 1948 bis 1986 und unmittelbarer Vorgänger von Alexander Vogelgsang, der 2010 in den Ruhestand wechselte. Ihr langes und erfolgreiches Wirken war so prägend, dass dabei häufig ihre zwischen 1945 und 1948 wirkenden Amtsvorgänger übersehen werden.
„Es ist wert, sie in Erinnerung bringen, führten sie die Stadt doch durch eine schwierige Übergangszeit“ so Dr. Christoph Florian, Böblingens Stadtarchivar. Mit seiner Infrastruktur lag Böblingen in Trümmern, das tagtägliche Leben der Bewohner musste aufrechterhalten werden, obdachlose Personen – darunter viele Flüchtlinge – benötigten Wohnraum, die Anordnungen der Besatzungsmächte mussten ausgeführt und auch der Aufbau demokratischer Strukturen gemeistert werden.
Daher verdient auch der unmittelbare Beginn der Nachkriegszeit in Böblingen Aufmerksamkeit.
Nach der Einnahme Böblingens am 22. April 1945 bestätigte die französische Militärregierung den geschäftsführenden Bürgermeister Nißler in seinen Funktionen. Friedrich Nißler, am 13. Juli 1895 in Sindelfingen geboren, hatte nach 1918 am Böblinger Amtsgericht gearbeitet, war einige Jahre Bezirksnotar im hohenlohischen Forchtenberg und seit 1936 in der gleichen Funktion in Böblingen. Seit Juni 1940 stellvertretender Bürgermeister nahm er die Amtsgeschäfte für den in die Wehrmacht eingezogenen Bürgermeister Röhm war. Sein Gestaltungsraum war denkbar gering und er konnte lediglich die Anweisungen der französischen Militärregierung entgegennehmen und ausführen.Nach kurzer Zeit nämlich am 1. Juni 1945 wurde Nißler abgesetzt. Die Gründe sind nicht ersichtlich, möglicherweise war er als ehemaliges Mitglied der NSDAP und hochrangiger kommunaler Amtsträger für die französische Besatzung nicht mehr tragbar. Wenig später am 7. Juli 1945 kam dann Böblingen mit dem gesamten Landkreis an die amerikanische Besatzungszone. Nachfolger Nißlers wurde der am 26. September 1884 in Oberkochen geborene Georg Hengstberger. Dieser war seit etwa 1912 in Böblingen als Anwalt tätig und nach 1945 am Aufbau der liberalen Demokratischen Volkspartei mitbeteiligt.
Hengstberger wechselte nach seinem Amts antritt Teile des Rathauspersonals aus.
Zugleich musste er sich mit der immer drückender werdenden Wohnungsnot auseinandersetzen. Ende November 1945 trafen die ersten Flüchtlinge – Bessarabiendeutsche – ein. Es sollten immer mehr werden. Hengstberger hatte sich nur als Übergangslösung zur Verfügung gestellt und betrachtete sich lediglich als Amtsverweser. Im Oktober 1946 wurde er dann Landrat des Kreises Böblingen. Daher hatte schon zuvor die große Suche der Rathausfraktionen nach geeignete Kandidaten begonnen. Die SPD und die KPD wurden fündig und nominierten den Gemeinderat und Arbeitsamtleiter Gottlob Baisch als Bürgermeisterkandidaten. Der am 13. März 1878 in Böblingen geborene Baisch hatte von 1919 bis 1933 die SPD im Böblinger Gemeinderat vertreten. Die DVP hingegen stellte den Kaufmann Richard Müller auf. Am 12. September 1946 konnte sich dann Müller im Gemeinderat mit zehn zu acht Stimmen gegen Baisch durchsetzen. Richard Müller, geboren am 8. März 1880 in Stuttgart, hatte leitende Funktionen im Hotelgewerbe, in der Industrie und bei der Lufthansa bekleidet und führte seit dem 11. Oktober 1945 die Amtsgeschäfte des Stadtpflegers (Stadtkämmerers). Auch Müller war lediglich geschäftsführender Bürgermeister mit dem Titel „Bürgermeister-Amtsverweser“.
Im Frühjahr 1948 stand dann die Direktwahl des Bürgermeisters an.
Es kandidierten der mittlerweile 67-jährige Müller, Baisch mit 69 Jahren – und erstmals der im Innenministerium tätige 27-jährige Regierungsinspektor Wolfgang Brumme. Der gebürtige Tübinger Brumme kandidierte als Parteiloser. In der ersten Runde am 15. Februar erreichte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit. Bei 6.707 Wahlberechtigten betrug die Beteiligung 63 Prozent. Es führte der Amtsinhaber mit 1.910 Stimmen, gefolgt von Wolfgang Brumme mit 1.336 Stimmen, an dritter Stelle Gottlob Baisch mit 902 Stimmen. In der Stichwahl überholte dann Brumme den Amtsinhaber mit 2.751 zu 2.048 Stimmen. Am 24. März wurde Wolfgang Brumme regulär in das Amt des Bürgermeisters eingesetzt. Damit war die Epoche der geschäftsführenden Bürgermeister in Böblingen beendet. Friedrich Nißler, blieb auch nach seiner Absetzung Bezirksnotar, und hatte dieses Amt bis zu seinem Tod 1959 inne. Auch Gottlob Baisch übte sein Mandat als Gemeinderat weiter bis zu seinem Tod 1952 aus. Der unterlegene Amtsinhaber Müller schließlich starb 1963. Wolfgang Brumme sollte nach 38 ereignisreichen Jahren als Stadtoberhaupt 1986 in den Ruhestand gehen. Am 20. Oktober 1999 starb er dann im Alter von 79 Jahren.