Mechthild- - eine "lebensmuntere" Fürstin hält in Böblingen Hof
Im Mittelalter war Böblingen ein kleines, von der Landwirtschaft geprägtes Städtchen. Kurz nach Ende des Mittelalters, um 1525 hatte es vielleicht gerade einmal 600 bis 700 Einwohner. Doch von 1450 bis 1452 beherbergte das beschauliche Landstädtchen innerhalb seiner Mauern eine illustre Bewohnerin von höchstem Adel. Es handelte sich um Mechthild, die Witwe des Grafen Ludwig I. von Württemberg.
Mechthild wurde am 7. März 1419 in der damaligen pfälzischen Residenzstadt Heidelberg als Tochter des Pfalzgrafen Ludwig III. und seiner Frau Mechthild von Savoyen geboren. Noch im gleichen Jahr verlobte man sie mit dem achtjährigen Ludwig. Die zukünftigen Brautleute wurden – wie bei arrangierten Adelshochzeiten üblich – nicht nach ihrer Meinung gefragt. Im Oktober 1436 feierten die beiden eine prachtvolle Hochzeit. An dem aus diesem Anlass veranstalteten Turnier nahmen fast 300 Adlige aus dem süddeutschen Raum teil.
Danach residierten die Eheleute in Urach – Württemberg war seit 1442 auch formal in zwei Landesteile gespalten – und Mechthild brachte mehrere Kinder zur Welt, darunter 1445 den späteren Eberhard im Bart. Am 23. oder 24. September 1450 starb Ludwig und Mechthild war mit 30 Jahren Witwe.
Die junge Witwe hatte es nicht leicht
Am Uracher Hof war durch den Tod des Mannes ihr Einfluss gschwächt und ihr Schwager Graf Ulrich von Württemberg mit dem Beinamen der Vielgeliebte versuchte die Vormundschaft über die vaterlosen Grafenkinder zu bekommen.
Nicht zuletzt aus diesen Gründen zog sie sich 1450 auf ihren Witwensitz nach Böblingen zurück, das ihre Residenzstadt wurde. Bei ihrer Eheschließung wurden ihr nämlich Böblingen, Sindelfingen sowie Dagersheim und eine Reihe weiterer Orte als Witwengut versprochen. So konnte sie auf der Böblinger Burg residieren und von den Einnahmen ihrer Besitzungen leben.
Mechthild verfügte nicht nur über die Einnahmen aus ihrem Witwengut, sie übte auch die Herrschaft über diesen Gebietskomplex aus. Schon im Verlobungsvertrag 1419 war festgelegt worden, dass die Bewohner des Herrschaftskomplexes Mechthild huldigen und ihren Gehorsam beeiden sollten. Die Grafenwitwe stand später, wie ihre Schwiegertochter Barbara Gonzaga, einem eigenen Hofgericht vor, das oberste Berufungsinstanz für das Böblinger Stadtgericht und einzelne Dorfgerichte war.
Das kleine Böblingen war für die schöne Grafenwitwe durchaus attraktiv, denn es gehörte ein Jagdbezirk dazu. Vielleicht ist Mechthild dort der standesgemäßen Jagdtätigkeit nachgegangen. Der Historiker Theodor Schön ging zu Anfang des 20. Jahrhunderts zumindest davon aus: „Stolz zu Roß, den Jagdfalken auf der schönen Hand, ging sie in der seenreichen Umgegend Böblingens auf die Reiherbeize.“
Mechthilds Böblinger Zeit dauerte nur kurz
Laut Theodor Schön „schritt die lebensmuntere, jugendfrische Gräfin zu einer zweiten, wie es schien, weit glänzenderen, als die erste Ehe, mit Herzog Albrecht, dem Bruder Friedrich III, des deutschen Königs.“ Am 3. November 1451 wurde in Böblingen die Heiratsabrede mit Herzog Albrecht VI. von Österreich (gest. 1463) in Böblingen unterzeichnet. Um den 10. August 1452 fand dann die „Böblinger Fürstenhochzeit“ statt. Leider berichtet keine Quelle über dieses Ereignis. Da Albrecht Herzog und Bruder des Königs war, müssen die Festgäste von höchstem Rang gewesen sein.
Kurz danach siedelte Mechthild in das österreichische Rottenburg am Neckar – die um Horb und Rottenburg gelegene Gegend war damals österreichisch (Herrschaft Hohenberg) – über. Ihre dortige Residenz wurde zu einem glanzvollen Musenhof. Als Herzogin versammelte sie Dichter und Künstler um sich und förderte „Wissenschaft, Literatur, Musik und Bildende Künste“.
Als Förderin der Wissenschaft war sie an der Gründung zweier heutiger Landesuniversitäten beteiligt, nämlich Freiburg im Breisgau (1457) und Tübingen (1477). Die von ihrem zweiten Ehemann Albrecht gegründete Freiburger Universität förderte sie durch die Überlassung der Einkünfte der Rottenburger Sank-Martinskirche und die durch ihren Sohn Eberhard gegründete Universität Tübingen bekam die zu Mechthilds Witwengut gehörenden Einkünfte des Sindelfinger Stifts. Dadurch kam das Patronat (Schutzherrschaft, Mitsprache bei Pfarrerauswahl) der Dagersheimer Kirche in den Besitz der Universität Tübingen, die es bis 1924 behielt.
Doch auch Böblingen sollte eine Rolle bei Mechthilds Kulturförderung spielen. Laut dem humanistischen Dichter Niklas von Wyle hat er während einer Seuche von Mechthild den Auftrag erhalten, Francesco Petrarcas Werk „Von der Arznei beider Glück“ ins Deutsche zu übersetzen.
Missgünstige Chronisten
Da Mechthild weiblich, intelligent, gebildet, durchsetzungsfähig und attraktiv war, fehlte es natürlich nicht an missgünstigen männlichen Kritikern. So warfen ihr manche Chronisten ein etwas zu entspanntes Verständnis von Sitte und Moral vor. In der „Zimmerischen Chronik“ des 16. Jahrhunderts wurde sie als „fleisch- und mannsgierig“ dargestellt. Auch in ihrer zweiten Ehe hatte sie es nicht leicht, galt doch Albrecht als „eigensüchtig, unstetig und streitliebend“ und hatte den bezeichnenden Beinamen der „Verschwender.“
Auch nach ihrer Übersiedlung blieb Böblingen für Mechthild wichtig und sie hielt sich immer wieder im Böblinger Raum auf. So setzte sie sich im Jahr 1471 für ihre Untertanen in Holzgerlingen und Schönaich gegenüber dem Kloster Bebenhausen ein. Um das Kloster Hirsau zu unterstützen, veranlasste sie 1468 die Einverleibung (Inkorporation) der Pfarrkirche Böblingen 1468 in das Kloster. Letzteres kam so in den Genuss der Einnahmen der Pfarrkirche. In ihrem Testament schließlich bedachte sie 1481 die Böblinger Schwesternsammlung („swöstern zu Böblingen“), die im Gebäude des späteren Spitals wohnten, zur "geistigen Stärkung" mit einem halben „Fuder wins“, also rund 1.800 Litern Wein.
Am 22. August 1482 starb Mechthild in ihrer Geburtsstadt Heidelberg im Alter von 63 Jahren. Sie wurde ihrem Wunsch entsprechend in der Kirche des von ihr geförderten Klosters Güterstein (bei Urach) beigesetzt, vier Jahre später in die dort erbaute Andreaskapelle überführt und fand schließlich 1554 in der Stiftskirche in Tübingen ihre endgültige Ruhestätte. Mit der 2008 erschienenen historischen Biographie „Mechthild – Fürstin im Spätmittelalter“ hat Jutta Rebmann der prominenten Böblingerin ein literarisches Denkmal gesetzt.