Als Böblingen verkauft wurde
In der Ausgabe dieses Einblicks geht Stadtarchivar Dr. Florian der Frage nach wie Böblingen württembergisch wurde.
Betrachtet man den Böblinger Christopherusbrunnen, so sind verschiedene am Brunnentrog angebrachte Wappen erkennbar. Darunter befindet sich welche mit waagrechter Fahne in unterschiedlichen Variationen und eines mit vier Wappenfeldern worauf u.a. Hirschstangen und Fische (Barben) abgebildet sind. Die erste Gruppe von Wappen stellen unterschiedliche Variationen des Böblinger Stadtwappen dar. Es lässt sich auf das Wappen der Pfalzgrafen von Tübingen zurückführen, die vermutlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts die dörfliche Siedlung Böblingen zu einer Stadt ausgebaut haben. Als solche wird sie dann in einer am 23. Juli 1272 ausgestellten Urkunde des Grafen Ulrich von Tübingen indirekt erwähnt. Das zweite Wappen ist das der Herzöge von Württemberg und erinnert uns an den Verkauf der Stadt an die Grafen von Württemberg, die damals noch keine Herzöge waren.
Der Verkauf geschah am 18. September 1344. Damals veräußerte Graf Gottfried III. („Götze“) von Böblingen (urk. 1328-1369) aus der Familie der Pfalzgrafen von Tübingen für 2.000 Pfund Heller - das sind 240.000 Heller - Burg und Stadt Böblingen mit allem Grundbesitz, Untertanen und dem Patronatsrecht der Stadtkirche. Die Käufer waren die Grafen Eberhard II., genannt der Greiner, (reg. 1344-1392) und Ulrich IV. (reg. 1344-1362) von Württemberg. Zu den verkauften Besitztümern gehörten dann auch der Obere und der Untere See ("Sewe bi der stat"), die damals erstmalig erwähnt wurden. Des weiteren gehörten Dagersheim, Darmsheim und Wildbannrechte (Herrschafts- und Jagdrechte) im Glemswald und Schönbuch dazu. Das erwähnte Patronatsrecht war übrigens das Recht für das Pfarramt einen Kandidaten vorzuschlagen.
(Hoch-)Adel kostet Geld
Wie konnte es dazu kommen? Warum hat ein Abkömmling des mächtigen und reichen Geschlechts der Pfalzgrafen von Tübingen eine ganze Stadt verkauft? Die Antwort ist zunächst ganz einfach. Graf Gottfried war bankrott und lebte von der Vermögenssubstanz. Doch was waren die Ursachen für die finanzielle Misere? Zwar hatten die Grafen von Württemberg die gleichen Pflichtausgaben wie die Tübinger Pfalzgrafen und die Grafen von Böblingen. Alle Hochadelsfamilien mussten damals große Summen für die Repräsentation oder für die Mitgift bei Eheschließungen ihrer Töchter aufwenden. Doch während die württembergische Herrschaft bis in das 15. Jahrhundert - abgesehen von zeitlich befristeten Ausnahmen - letztendlich in einer Hand blieb, zersplitterten sich die Tübinger in mehrere Familienzweige, die das Erbe unter einander aufteilten. Die Kosten welche jeder Familienzweig aus genannten Gründen hatte, sanken jedoch nicht proportional dazu. Am Ende gaben sie mehr aus als sie einnahmen.
Auffällig ist die niedrige Kaufsumme von 2.000 Pfund Heller (Silbergeld) für Böblingen, wenn man weiß, dass die Stadt Tübingen zwei Jahre zuvor für 20.000 Pfund Heller verkauft wurde. Der Grund liegt darin, dass die württembergischen Grafen zwei Monate später den verkauften Böblinger Besitz wieder an Graf Gottfried übergaben, der ihn jetzt zusammen mit seiner Frau als (württembergische) „Vögt, Amptlut und Pfleger“ innehaben sollte. Damit waren die Böblinger Grafen - Angehörige des stolzen Geschlechts der Tübinger Pfalzgrafen - zu württembergischen Dienstleuten geworden. Dies war ein sozialer Abstieg. Privat war es allerdings für Gottfried kein schlechtes Geschäft, denn er durfte die künftigen Einnahmen aus der Herrschaft Böblingen behalten und musste keine Rechenschaftsberichte an die neuen Stadtherrn schicken.
Neue Schulden
Wie so oft kam auch hier der Schuldner nicht von seinen Schulden los, sondern musste sogar neue machen. Am 4. Juni 1354 verpfändete Gottfried nämlich für vier Jahre die Steuereinnahmen (Abgabe an die Herrschaft) aus Böblingen, Dagersheim und Darmsheim an die Weil der Städter Bürger Johannes dem Bohteler und Johannes Spenlin. In der Urkunde bekamen die württembergischen Grafen das Recht eingeräumt, innerhalb der vier Jahre die Verfügungsgewalt über die Steuern zurückfordern zu dürfen. Der Böblinger Graf hatte sich offenbar bei den Herren Botheler und Spenlin massiv verschuldet.
Am 29. November 1357 - also noch vor Ablauf der Verpfändung - musste Gottfried „von sölicher notes wegen so uns anlag von unsere grosser schulden wegen“ den Böblinger Besitztum endgültig an Württemberg verkaufen. Vielleicht hatte Württemberg die Verfügungsgewalt über die Steuereinnahmen für sich gefordert, dadurch wäre dann die Verpfändung vorzeitig beendet gewesen und Gottfrieds Gläubiger hätten in der Folge wiederum ihr Geld zurückgefordert.
Diesmal ging der Verkauf zum tatsächlichen Marktpreis von statten, nämlich für 14.500 Pfund Heller. Da die württembergischen Grafen zu diesem Augenblick nicht so viel Bargeld in der Schatulle hatten, zahlten sie an Gottfried nur 9.500 Pfund Heller aus. Die Restschuld von 5.000 Pfund Heller sollte durch einen jährlichen Betrag von 500 Pfund Heller getilgt werden. Gottfried scheint in der Folge vollständig von den Württembergern abhängig gewesen zu sein, denn am 29. Januar 1360 reduzierte er ohne Angabe von Gründen die Restschuld auf 3.000 Pfund Heller. Vermutlich hatten ihn die geschäftstüchtigen württembergischen Grafen dazu gezwungen.
Neuanfang im Breisgau
So wurde Böblingen endgültig württembergisch. Der letzte Böblinger Stadtherr aus dem Geschlecht der Tübinger jedoch fiel weich, denn er hatte mit Klara, der Tochter des Grafen Friedrich von Freiburg, eine reiche Erbin geheiratet. Vielleicht hat dieser Erbfall, Klaras Vater war 1356 gestorben, Gottfrieds Entschluss zum endgültigen Verkauf Böblingens erleichtert. Mit ihrem Erbe konnte später im Breisgau die Herrschaft Lichteneck erworben werden. Im sonnigen Südbaden sollte das Geschlecht der Tübinger noch einmal - bescheiden - erblühen bis es 1666 mit Elisabeth Bernhardina, dem "letzte[n] ächte[n] Zweiglein", endgültig ausstarb.
Wenn die Leserin oder der Leser des Artikels einmal am Christopherusbrunnen vorbeigehen, sollen sie doch ein wenig Zeit nehmen und einen kurzen Blick auf die Wappen werfen, die so viel erzählen.