Die Böblinger Bären

In dieser Ausgabe des "EinBlicks in die Stadtgeschichte" geht Stadtarchivar Dr. Christoph Florian der Geschichte der Bären nach, die Jahrhunderte lang in Böblingen auf dem Schloßberg gehalten wurden.

In früheren Zeiten war es üblich, dass sich Fürsten einen Tiergarten (Privatzoo) hielten. Das Halten von besonderen, teilweise exotischen Tieren sollte ihren Haltern Spaß und Zeitvertreib bringen. Die Tiere sollten aber auch den Reichtum ihrer Halter bezeugen, welche sich so etwas überhaupt leisten konnten. Die Herzöge von Württemberg waren hier keine Ausnahme, auch sie hatten Tiergärten und das nicht nur in ihren großen Residenzen, sondern auch in Böblingen. Bei den bedauernswerten Tieren handelte es sich um solche der Art Ursus arctos, also um Bären und um genauer zu sein, um Braunbären. Die ehemaligen Amtsleiter Dr. Günter Scholz und Erich Kläger haben sich in ihren stadtgeschichtlichen Veröffentlichungen bereits mit diesem Thema befasst.

Vier Bären für Böblingen

Erstmals aus dem 16. Jahrhundert liegen Nachrichten über einen Tiergarten in Böblingen vor. 1540 hatte Herzog Ulrich (1498 bis 1550) nämlich angeordnet, unter anderem in Böblingen einen Tiergarten anzulegen. Jahre später dann, am 6. November 1553 bekam der Böblinger Vogt ein Schreiben von seinem Vorgesetzten Herzog Christoph (1550 bis 1568). Darin kündigte dieser an, dass er ihm „vier junger Berenn“ schicken werde. Dem Vogt wurde auch gleich aufgetragen, wo die Bären unterzubringen waren. Er sollte sie „in dem ainen graben beiainannder lauffen lassen“. Mit Graben war der Schlossgraben gemeint. Die „alt Birrin“ sollte zu den anderen zwei jungen Bären, die sich schon dort befanden. Die drei Bären wurden also künftig getrennt von den Neuzugängen gehalten.

Das Böblinger Schloss im 17. Jahrhundert

Wie jeder Tierbesitzer weiß, bereiten diese nicht nur Freude, sondern auch Sorgen und Kosten. Bei den Bären war das nicht anders. So erhielt Herzog Ludwig am 3. November 1669 einen bekümmerten Brief seines Böblinger Burgvogts (Schlossverwalters) Georg Brothbeckh. Der „alte grosse Beer“ war jetzt seit einigen Tagen krank und wollte „nichtzit“ essen. Zwei Tag später kam die Antwort aus der Zentrale in Stuttgart. Dem Bären wurde darin ein Heilmittel aus der Volksmedizin verordnet, nämlich ein Ameisenhaufen („Omaissen Hauff“). Der Bär sollte sich wohl hineinsetzen und durch die Ameisensäure geheilt werden. Zudem sollte der Patient ein Spanferkel bekommen, damit man sah „ob er dasselbige erwürgen und essen [...] und sich damit erlusstigen thete“. Wenn dies alles nicht half und der Bär stürbe,  müsse der Burgvogt ihn „uffschneiden“ und feststellen lassen, ob er an Altersschwäche gestorben sei. In diesem Fall war das „Schmaltz“ samt des Fells („Hautt“) nach Stuttgart zu schicken.

Weißes Brot und Milch

Da ist doch ein Brief aus dem Jahr 1627 tröstlicher. Hier ging es um eine kranke Bärin. Dank eines klugen Rates von der Stuttgarter Verwaltung war sie wieder gesund geworden. Man hatte nämlich angeordnet ihr „Hunig ufm Broth“ zu geben. Der Brief enthielt noch eine weitere gute Botschaft von „der annderen grawen“ Bärin, sie war - ohne dass es jemand gemerkt hatte - trächtig gewesen und hatte „zwey junnger Bärlen“ das Leben geschenkt. Der Böblinger Vogt Hans Ludwig Beihel versicherte, den Nachwuchs "vleißigest" zu pflegen und ihn mit „weissem Broth unnd Milch“ zu versorgen.

Da die Böblinger Bären Nachwuchs bekamen, war es dem Herzog möglich, wiederum selbst Bären zu verschenken. So erhielt dann im Jahr 1571 Landgraf Georg von Hessen schwäbische Bären.

Die Bären lebten im Schlossgraben, wie aus der Nachricht von 1553 hervorgeht. Laut dem schon genannten Schreiben von 1627 war die Bärin unter der Brücke untergebracht. Damit war der Übergang gemeint, der das Schloss mit dem Zugangsweg vom späteren Postplatz her verband. Ein Plan aus der Zeit um 1800 verdeutlicht die genaue Situation. Demnach lag der als Bärengraben bezeichnete Graben dem eigentlichen Schlossgraben vorgelagert im Süden und Osten des Schlosses. Auf dem Plan sind auch zwei Bärenhäuser erkennbar, eines tatsächlich in der Nähe der Brücke und eines im äußersten östlich gelegenen Winkels des Bärengrabens. Aus dem Plan ist ersichtlich, dass die Bären nicht die einzigen tierischen Bewohner des Schlosses waren, denn auf der nördliche Seite befand sich der Wolfsgraben. Tatsächlich wurden 1720 neben acht Bären auch zwei Wölfe gehalten. Zeitweise gab es wohl auch Luchse.

Das Böblinger Schloss um 1820

Die Aufwand für die Versorgung der herzoglichen Tiere war immens. So benötigten die acht Bären und zwei Wölfe im Jahr 1720 allein 160 Scheffel (ca. 28 Tonnen) Dinkel. Da aber Nachwuchs zu erwarten war, wurde der zukünftige Bedarf sogar auf 190 Scheffel (ca. 34 Tonnen) veranschlagt. Sie bekamen auch Fleisch verfüttert, jedes in Böblingen oder Sindelfingen gefallene Schaf musste zu diesem Zweck abgeliefert werden. Zur Finanzierung der Kosten gab es eine eigene Stiftung, das „Bärenstift.“ Laut der Oberamtsbeschreibung von 1850 hat dann Herzog Carl - gemeint ist wohl Carl Eugen (1737 bis 1793) - diese Stiftung umgewidmet und für die Unterstützung armer Familien bestimmt.

Der alte Bär ist los

Eine vielen Böblingern geläufige Anekdote über die Bären hat Erich Kläger in seinem Werk „Böblingen. Eine Reise durch die Zeit. (1979)“ festgehalten. Danach wurde 1736 nach einer Jagd Herzog Karl Alexanders (1733 bis 1737) im Schönbuch abends im Schloss im Löwensaal ein glänzendes Fest gefeiert. Die Hornmusik missfiel jedoch dem alten Bären Achmet, der sich daraufhin befreite und zum Entsetzen des Hofstaats auf einmal im Saal erschien. Die Not war groß, denn die Kavaliere hatten ihre Waffen im Rittersaal abgelegt und konnten den Bären nicht vertreiben. Der Herzog wollte sich mit einer Hellebarde dem wütenden Bären entgegenstürzen. Doch der geistesgegenwärtige Page von Gemmingen kam ihm zuvor, nahm eine der an den Wänden angebrachten Fackeln und verscheuchte damit den Bären.

Doch die Zeit der Böblinger Bären ging ihrem Ende zu. Gegen Ende der 1790er Jahren wurde die Bärenhaltung aufgegeben. Für die Bären war dies angesichts der beengten Verhältnisse im Graben sicher kein großer Verlust. Bei der Namenswahl für den Gasthof Bären um das Jahr 1700 jedoch wurde wohl direkt oder indirekt auf die Bären Bezug genommen. So gibt es heute noch eine bleibende Erinnerung an die zottigen Bewohner auf dem Schloßberg.

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